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Urlaub: Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer rechtzeitig auf Verfall hinweisen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.1.2023 – 9 AZR 107/20

Ausgangslage:

Gemäß § 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz verfällt der nicht genommene Jahresurlaub am Ende des Urlaubsjahres bzw. Ende März des Folgejahres. Gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung tritt bei langzeiterkrankten Mitarbeitern Verfall erst nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres ein. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass der Arbeitgeber zuvor seinen Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist - heißt: Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer rechtzeitig auf seinen Urlaubsanspruch hinweisen und über die Regelungen zum Verfall aufklären, sollte dieser nicht genommen werden. Nur wenn der Arbeitnehmer das ganze Urlaubsjahr durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, verfällt Urlaub auch ohne Beachtung der Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheit.

Was heißt aber eigentlich "rechtzeitig"?

Immer noch kommt es vor, dass Arbeitgeber ihrer Mitwirkungsobliegenheit überhaupt nicht nachkommen (Fall 1), oder aber sehr spät im Jahr (Fall 2): Im ersten Fall kann Urlaub weder verjähren noch verfallen - Ausnahme: Der Arbeitnehmer war im ganzen Kalenderjahr durchgängig krankheitsbedingt arbeitsunfähig, denn dann tritt Verfall nach Ablauf des 15. Monats nach dem Urlaubsjahr ein, und zwar auch, wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen ist. Beim zweiten Fall stellt sich die Frage, bis wann im Kalenderjahr der Arbeitgeber den Arbeitnehmer überhaupt informieren muss. Hierüber besteht regelmäßig Streit zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt:

Der Urlaubsanspruch entsteht zu Jahresbeginn. Die Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheit muss unverzüglich erfolgen. Sie ist damit „rechtzeitig“, wenn sie grundsätzlich innerhalb einer Urlaubswoche – einer Frist von fünf oder sechs Werktagen – erfüllt wird. Dann hat der Arbeitnehmer das Risiko zu tragen, dass Urlaub wegen einer im Verlauf des Urlaubsjahres eintretenden Erkrankung nach Ablauf von 15 Monaten erlischt.

Gut für den Arbeitnehmer:

Wenn also ein Arbeitnehmer z.B. seit Mai des Jahres bis über den Jahreswechsel hinaus arbeitsunfähig erkrankt ist, der Arbeitgeber jedoch erst im Juni seiner Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheit nachkommt, kann der Arbeitgeber sich später nicht auf den Verfall etwaigen Urlaubs berufen, denn er hat zu spät gehandelt. Der Urlaub für das Kalenderjahr verfällt nicht mehr.

Gut für den Arbeitgeber:

Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber also die erste Urlaubswoche des Jahres Zeit, den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheit in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Wenn er den Arbeitnehmer zu spät informiert, verfällt zwar grundsätzlich der Jahresurlaub nicht, allerdings kann der Arbeitnehmer dennoch nur den Jahresanspruch abzüglich der ersten Urlaubswoche geltend machen. Denn bei den bis dahin verstrichenen Arbeitstagen handelt es sich um die Zeitspanne, die dem Arbeitgeber jedenfalls zur Verfügung stand, um den Urlaub des Arbeitnehmers für des Kalenderjahr zu initiieren. Erst nach deren Ablauf geht das Risiko, dass Urlaubsansprüche wegen einer Langzeiterkrankung verfallen, auf den Arbeitgeber über und ist eine Kausalität zwischen der Nichterfüllung des Urlaubs und der unterbliebenen Mitwirkung gegeben.

Und weiter: Der Arbeitnehmer kann auch nur den Urlaub beanspruchen bzw. im Falle der späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltung nur in dem Umfang verlangen, in dem er in dem Kalenderjahr auch wirklich in der Lage war, Urlaub zu nehmen - was während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gerade nicht möglich ist. Wenn also die Dauer-AU bereits früh im Kalenderjahr eintritt, z.B. in der 3. Januarwoche, hätte er ja theoretisch auch nur bis zur 3. Januarwoche Urlaub nehmen können. Darüber hinaus hätte der Arbeitnehmer aufgrund seiner AU ohnehin keinen Urlaub nehmen können und insofern fehlt es diesbezüglich ebenfalls an der Kausalität zwischen fehlender Mitwirkung des Arbeitgebers und Nichtinanspruchnahme des Urlaubs durch den Arbeitnehmer.

Bild: Natalya Zaritskaya/Unsplash.com

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